Rückblick | Fachtag „Gemeinsam gegen Hass im Netz“ | München | 5.10.23

Wie kommen junge Menschen mit Hass in digitalen Räumen in Berührung? Und was, wenn sie das Rüstzeug hätten, um solchem Hass entgegenzutreten? Unter anderem das waren Fragen, die wir am 5. Oktober 2023 bei unserem Fachtag „Gemeinsam gegen Hass im Netz“ mit pädagogischen Fachkräften der Schulsozialarbeit und der außerschulischen Jugendarbeit, Referent*innen der politischen Bildung sowie Expert*innen aus dem Forschungsbereich behandelt und diskutiert haben.

Gleich zu Beginn des Tages zeigten sich in einer digitalen Abstimmung unter den Teilnehmenden die verschiedenen Bedarfe der Fachkräfte deutlich: Bei vielen zählt die Thematisierung des Phänomenkomplex Hass im Netz zu ihren täglichen Aufgaben. Dennoch: Nicht wenige der Teilnehmenden befassten sich nach eigener Aussage erstmalig mit dem Themenkomplex Hass im Netz. Dabei fühlt sich die überwiegende Mehrheit der Anwesenden eher schlecht vorbereitet, wenn es darum geht mit Kindern und Jugendlichen zu Hass im Netz zu arbeiten.

Um den verschiedenen Bedarfen vor Ort auf unterschiedlichen Leveln zu begegnen, konnten wir den Fachtag mit einem abwechslungsreichen Programm aus wissenschaftlichen und pädagogischen Inputs zum Phänomenbereich Hass im Netz sowie mit Einblicken in Methoden und Materialien für die praktische Arbeit gestalten.

Inputs

Sebastian Zollner | Universität Greifswald – Sprachwissenschaften | Counter-Speech meets Hate Speech: Hassreden im Alltag entgegenwirken

Hass und Diskriminierung werden oft gezielt und absichtlich geäußert oder lauern hinter harmlos erscheinenden Kommentaren – online wie offline. Welche Mittel und Wege haben die Sprachwissenschaften gerade anzubieten, wenn es um Hassrede geht? Sebastian Zollner leitete anschaulich über die Geschichte und die sprachwissenschaftlichen Konzepte von Counter-Speech ins Thema Hate- und Counter-Speech ein, bot spannende Fakten und Empfehlungen zum Thema an und präsentierte schließlich theoretische und praktische Strategien, um Hate Speech zu erkennen, zu verstehen und mit wirkungsvoller Gegenrede zu konfrontieren. Gemeinsam mit den Teilnehmenden entschlüsselte er die Mechanismen von Hate Speech und diskutierte mit ihnen, mit welchen geeigneten Formaten Pädagog*innen Gegenrede-Praktiken auch im Alltag von Jugendlichen etablieren können.

Laura Michalowski | JFF | Projekt ACT ON!

Das Projekt ACT ON! JFF ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt, das sich auf das aktuelle Online-Handeln von Heranwachsenden im Alter von 10 bis 14 Jahren fokussiert. Im Zentrum des Projekts steht die Perspektive der Kinder und Jugendlichen auf „ihre“ Onlinewelten und den Umgang mit Risiken, denen sie dabei begegnen. Laura Michalowski zeigte nach einer Einführung in die Arbeit des Projektes ausführlich am Beispiel Cybermobbing, wie junge Menschen in digitalen Räumen mit Hass in Berührung kommen. Den anwesenden Fachkräften bot sie verschiedene Handlungsmöglichkeiten und Strategien an, in dem sie sie eigenständig bewährte Methoden durchführen ließ und ihnen weitere Projekte aus dem Themenbereich Hass im Netz vorstellte.

 

Nachmittagsprogramm

Themenraum 1 | Methoden und Materialien | Heiko Wolf

Als Projektmitarbeiter des GMK-Teams gegen Hass im Netz präsentierte Heiko Wolf Methoden und Materialien aus seiner Arbeit als freier Medienpädagoge (Der Medienwolf). Geübt und diskutiert wurden praktische Methoden, die bei der Einordnung verschiedener Formen von Gewalt helfen sollen und dabei Einblick in unterschiedliche Perspektiven von Beteiligten geben. Darüber hinaus zeigte Heiko Wolf Methoden und Materialien, die gezielt den Umgang mit Hass– und Gegenreden adressieren oder Kindern und Jugendlichen verschiedene Gruppendynamiken und den Umgang mit ihnen näher bringen sollen.

Themenraum 2 | Methoden aus der Sprachwissenschaft | Integration in den (pädagogischen) Alltag | Sebastian Zollner

Sebastian Zollner präsentierte im Rahmen seiner sprachwissenschaftlichen Arbeit zu Hate Speech und Counter-Speech eine Reihe an Methoden, die sich dem Themenfeld von unterschiedlichen Seiten annähern. In seinem Methodenbaukasten finden sich ein „Hasskompass“ sowie Kreislaufmodelle zu Hate Speech und Respect Speech ebenso wie eine ausgearbeitete Projektwoche, bei der Jugendliche auf unterschiedliche Weise an das Thema herangeführt und eingebunden werden können. Als besonders interessant für die Teilnehmenden stellte sich ein KI-gesteuerter Chatbot heraus, der Nutzer*innen bei der Formulierung passgenauer Gegenrede unterstützen soll. Der sogenannte „Counter-Bot“ ist ein Teil von Sebastian Zollners Forschung als Sprachwissenschaftler und befindet sich derzeit noch in der Pilotphase. Doch schon jetzt erwies sich der Bot als äußerst kompetentes und praktisches Tool, das bei den Fachkräften auf große Begeisterung stieß.

Materialsammlung

Projekte, Methoden und Materialen wie sie bei diesem Fachtag präsentiert und diskutiert wurden, sollen in Zukunft gebündelt und aufbereitet werden, sodass Fachkräfte und Multiplikator*innen jederzeit darauf zugreifen, sie nutzen und sich weiterbilden können. Das ist eines der Ziele, das sich die GMK als Teil des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz gesetzt hat. Aktuell sammeln wir noch. Wenn euch also weitere Projekte, Materialien und Initiativen einfallen, die hierbei abgebildet werden sollten, teilt uns das gerne mit: https://forms.gle/5NKYso34mLWphaPt6.

Bedarfserhebung

Welche Bedarfe haben pädagogische Fachkräfte in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gegen Hass im Netz? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Bedarfserhebung, die die GMK in Kooperation mit dem JFF unter (sozial-)pädagogischen Fachkräften zum Themenfeld Hass im Netz durchführt. Dafür wurde der gesamte Fachtag, ebenso wie bereits die beiden Open Space Veranstaltungen in Berlin und Köln von einer explorativen Beobachtung begleitet. Mit der Erhebung soll dem Rechnung getragen werden, dass viele Fachkräfte einen Bedarf für die Arbeit gegen Hass im Netz mit ihren Zielgruppen wahrnehmen, ihn aber an bestimmten Punkten nicht bedienen können, weil es beispielsweise an Ressourcen, Know-How oder geeigneten Ideen zur Umsetzung fehlt. Eine erste Veröffentlichung der Ergebnisse ist für den Winter 2023 geplant. Stay tuned: https://hass-im-netz.gmk-net.de/bedarfsanalyse/.